Harntreibende Thiazide entlasten das Herz
Diuretika aus der Gruppe der Thiazide erhöhen die Harnausscheidung und senken den Blutdruck. Ernsthafte Nebenwirkungen treten eher selten auf.
Entwässerungsmittel oder Diuretika regen die Nieren dazu an, vermehrt Wasser auszuscheiden. Dabei verringert sich das Blutvolumen und das Herz muss weniger Pumparbeit leisten – der Blutdruck sinkt. Eine harntreibende Wirkung ist für viele Substanzen nachgewiesen, doch für die Behandlung von Bluthochdruck eignen sich vor allem Medikamente aus der Gruppe der Thiazide. In Deutschland werden sie allerdings deutlich seltener verordnet als andere Blutdrucksenker.
Inhalte
- Nutzen...
- Anwendungsgebiete...
- Einnahme...
- Alternativen...
- Wirkmechanismus...
- Arten...
- Nebenwirkungen...
- Gegenanzeigen...
- Wechselwirkungen...
- Kosten...
1. Der Nutzen – senken Krankheitsrisiken und Sterblichkeit
Das wichtigste Einsatzgebiet der Thiaziddiuretika ist die arterielle Hypertonie. Die Wirkstoffe senken zuverlässig den Blutdruck und können langfristig das Risiko von Schlaganfällen und Herz-Kreislauferkrankungen mindern. Auch die Sterblichkeit verringert sich leicht.
Das Forschungsnetzwerk Cochrane hat im Jahr 2018 die Ergebnisse vieler Studien zusammenfasst, die die Wirksamkeit von Thiaziden unter gut kontrollierten Bedingungen untersucht haben1. Die Qualität dieser Ergebnisse wurde als hoch eingestuft.
Zu den wichtigsten Ergebnissen der Cochrane-Analyse gehören:
- bei Einnahme von Thiaziden erlitten 42 von 1000 Patienten einen Schlaganfall, in der unbehandelten Kontrollgruppe erkrankten etwa die Hälfte mehr (62 von 1000)
- eine koronare Herzkrankheit entwickelten 28 von 1000 Patienten nach Thiazid-Gabe, unbehandelt waren es 39 von 1000
- unter allgemeinen Herz-Kreislauferkrankungen litten 90 von 1000 Behandelten (unbehandelt 129 von 1000)
- die Sterblichkeit sank leicht: 110 von 1000 unbehandelten Patienten sind während der Studiendauer verstorben, nach Einnahme von Thiaziden waren 98 von 1000
Thiazide gelten vor allem bei älteren Hypertonikern als Mittel der Wahl, besonders bei leichten und mittelschweren Wassereinlagerungen2. Bestehen weitere Risikofaktoren wie Diabetes oder eine leichte Herzschwäche, kann die Einnahme von Thiazide ebenfalls empfehlenswert sein. Bei schweren Begleiterkrankungen wird aber häufig auf andere Blutdrucksenker zurückgegriffen.
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2. Weitere Anwendungsgebiete – Wassereinlagerungen ausschwemmen
Thiaziddiuretika werden bei verschiedenen Erkrankungen und Funktionsstörungen eingesetzt. Neben der Behandlung des Bluthochdrucks sind dies unter anderem
- Auflösung von chronischen Wassereinlagerungen im Körpergewebe, die häufig auf eine gestörte Funktion von Herz, Leber oder Nieren zurückzuführen sind.
- Linderung der Symptome bei Herzschwäche.
- Behandlung der Hyperkalzurie, einer vermehrten Ausscheidung von Calcium über den Urin.
3. Die Einnahme – meist täglich als Tablette
Thiaziddiuretika sind in Tablettenform erhältlich. Die Einnahme erfolgt in der Regel einmal täglich morgens.
4. Alternativen – weitere Diuretika und Blutdrucksenker
Neben Thiaziden nutzen Ärzte zwei weitere Wirkstoffgruppen, um Körpergewebe zu entwässern3. Das sind zum einen Schleifendiuretika, die einen ähnlichen Wirkmechanismus und einen vergleichbaren blutdrucksenkenden Effekt wie Thiazide haben. Schleifendiuretika schwemmen allerdings deutlich mehr Wasser aus dem Körper. Eingesetzt werden sie daher vor allem, wenn zugleich eine Herzschwäche oder gestörte Nierenfunktion vorliegt. In diesen Fällen haben sich meist größere Mengen Flüssigkeit in den Geweben angesammelt, sodass die stark entwässernde Wirkung von Vorteil ist.
Eine dritte Gruppe von Diuretika umfasst Wirkstoffe, die die Ausscheidung von Kalium über den Urin deutlich reduzieren. Dies beugt einem Kaliummangel vor, der Körperorgane und Stoffwechsel schädigen kann2. Kaliumsparende Diuretika werden fast ausschließlich in Kombination mit Thiaziden verordnet, da ihre entwässernde Wirkung eher schwach ist. Zudem sind sie sehr kostspielig: Eine Tagesdosis kostet durchschnittlich 0,80 Euro, das ist viermal höher als für Thiazid- und Schleifendiuretika.
Im Vergleich zu anderen Blutdrucksenkern schneiden Thiaziddiuretika bei vielen Experten gut ab, da sie nur relativ geringen Nebenwirkungen auslösen4. Die Wahl hängt allerdings stark davon ab, welche Begleiterkrankungen vorliegen. Müssen etwa zugleich chronische Herzschwäche, Vorhofflimmern, Herzrhythmusstörungen oder andere Erkrankungen behandelt werden, kann auch der Einsatz von Calciumantagonisten, Betablockern, ACE-Hemmern und AT1-Antagonisten vorteilhaft sein.
5. Der Wirkmechanismus – verminderte Rückgewinnung von Natrium
Thiazide greifen direkt in die Filterfunktion der Nieren ein: In den feinen Kanälen des Nierengewebes hemmen sie die Rückgewinnung des Mineralstoffs Natrium aus dem Primärharn. Dadurch steigt der Salzgehalt im Urin, was vermehrt Wasser aus den Geweben zieht3. Mit der erhöhten Urinmenge werden allerdings auch andere Mineralstoffe, vor allem Kalium, aus dem Körper gespült.
Die erhöhte Harnscheidung kann kleine und mittlere Ödeme (Wassereinlagerungen) in anderen Körpergewebe beseitigen. Zusätzlich verringert sich das Volumen der Blutflüssigkeit, wodurch das Herz weniger Pumparbeit verrichten muss und der Blutdruck absinken kann. Langfristig kann sich auch die Spannung in der Gefäßmuskulatur vermindern, was ebenfalls zur Blutdrucksenkung beiträgt2.
6. Die Arten – unterschiedliche Wirkung auf die Nieren
Alle Thiaziddiuretika haben den gleichen Wirkmechanismus. Als Leitsubstanz gilt der Wirkstoff Hydrochlorothiazid (HCT), ähnliche Wirkstoffe sind Chlortalidon und Indapamid. Bei Nierenschwäche sollten diese Wirkstoffe nicht eingesetzt werden, da sie die Funktion des Organs zusätzlich beeinträchtigen können. Als Alternative steht in diesem Fall das Thiazid Xipamid zur Verfügung.
7. Risiken und Nebenwirkungen – meist gut verträglich
Die Gruppe der Thiazide umfasst zahlreiche unterschiedliche Wirkstoffe, die ähnliche Nebenwirkungen und Risiken aufweisen. Sie gehören zu den Blutdrucksenkern, die am besten vertragen werden, können aber dennoch eine Reihe von Problemen hervorrufen2,3,5. Detaillierte Beschreibungen der Nebenwirkungen für einzelne Medikamente sind in den Beipackzettel aufgelistet, die hier abrufbar sind.
Ausführliche Informationen zu Gegenanzeigen und Unverträglichkeiten finden sich bei der Stiftung Warentest2 und den Beipackzetteln der einzelnen Präparate6.
7.1 Eher harmlos
Nebenwirkungen, die das Wohlbefinden zum Teil erheblich einschränken, aber nicht lebensbedrohlich oder mit langfristigen Schäden verbunden sind. Unmittelbare ärztliche Maßnahmen sind nur selten erforderlich.
- erhöhter Harndrang, vor allem zu Beginn der Einnahme
- Magen-Darm-Beschwerden (1 von 100 Behandelten)
7.2 Bedenklich
Nebenwirkungen, die bei wiederholtem Auftreten oder langer Dauer mit gesundheitlichen Problemen einhergehen können. In hartnäckigen Fällen Rücksprache mit dem Arzt halten.
- Kaliummangel, der langfristig Nervensystem, Herz und Stoffwechsel beeinträchtigen kann (mehr als 1 von 100 Behandelten)
- Anstieg der Blutzuckerwerte, erhöht das Risiko von Typ-2-Diabetes (mehr als 1 von 100)
- Anstieg des Harnsäurespiegels im Blut, erhöht das Risiko eines Gichtanfalls (mehr als 1 von 100)
- Veränderungen im Blutbild: Weiße Blutkörperchen und Blutplättchen sinken stark ab, erhöhte Neigung zu Blutungen (1 von 1 000)
- Mundtrockenheit, Schwäche, Muskel- und Kopfschmerzen als Folge von übermäßigem Salzverlust
- erhöhte Empfindlichkeit der Haut für UV-Strahlung, erhöht das Risiko von weißem Hautkrebs
- allergische Reaktionen: gerötete und juckende Hautstellen
7.3 Potenziell lebensbedrohlich
Sehr seltene akute Anfälle, die das Leben gefährden können. Sofort mit einem Arzt oder Notarzt Kontakt aufnehmen.
- Schwere Allergie: Neben Hautreaktionen treten Herzrasen, Atemnot, Schwäche und Schwindel auf
- Leberschädigung und Gelbsucht
- Schwere Störung der Blutbildung: hohes Fieber, Schüttelfrost, Blut im Urin oder Stuhl, Erbrechen
8. Gegenanzeigen – nicht bei Nierenproblemen
Menschen, deren Nieren nur noch eingeschränkt funktionsfähig sind, sollten Thiazide eher nicht oder zumindest nicht als Monotherapie einnehmen, da sie die Filterfunktion zusätzlich stören können. Auch bei eingeschränkten Leber- oder Herzfunktionen können bei Thiaziden Probleme auftreten2.
Wer unter Gicht leidet, sollte die Einnahme von Thiaziden vermeiden. Sie können die Harnsäurewerte im Blut ansteigen lassen und damit Gichtanfälle auslösen oder verschlimmern.
Manche Menschen entwickeln Allergien gegen Sulfonamide und ähnliche Wirkstoffe, die für die Behandlung von Typ-2-Diabetes oder Harnwegsinfektionen eingesetzt werden. Thiazide ähneln Sulfonamiden und dürfen daher nicht eingenommen werden, wenn bereits eine Allergie gegen andere Sulfonamid besteht2.
9. Mögliche Wechselwirkungen – Vorsicht bei zahlreichen anderen Medikamenten
Schmerzmittel wie Ibuprofen und andere nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) schwächen die blutdrucksenkende Wirkung der Thiaziddiuretika. Gleichzeitig steigt das Risiko, dass die Nierenfunktion gestört wird und ein akutes Nierenversagen auftritt.
Weiterhin können Thiazide die Wirkung zahlreicher Medikamente beeinflussen:
- Die Wirkung anderer Blutdrucksenker wird verstärkt.
- Werden Digitalispräparate zur Behandlung von Herzerkrankungen eingesetzt, können Thiazide das Risiko für Herzrhythmusstörungen erhöhen.
- In Kombination mit Glukokortikoiden kann es zu einem Kaliummangel kommen.
- Die Wirkung von Lithium zur Behandlung von manisch-depressiven Erkrankungen wird verstärkt.
- Bei Diabetes kann die Wirkung von blutzuckersenkenden Arzneimitteln abgeschwächt werden.
10. Die Kosten – etwa 19 Cent für eine Tagesdosis
Alle blutdrucksenkenden Medikamente sind verschreibungspflichtig, auch bei der Einnahme von Thiaziden fällt daher nur der gesetzlich vorgeschriebenen Eigenanteil an (höchstens 10 Euro). Eine Tagesdosis kostet im Durchschnitt etwa 0,19 Euro. In Deutschland wurden 2022 etwa 170 Millionen Tagesdosen verschrieben, das sind deutlich weniger als für andere Blutdrucksenker7.
Neben den Thiaziden werden auch noch andere Diuretika verschrieben, allerdings nicht immer für die Behandlung von Bluthochdruck. Schleifendiuretika kosten durchschnittlich 0,18 Euro und es wurden 2022 etwa 1,2 Milliarden Tagesdosen verschrieben. Der Preis für eine Tagesdosis kaliumsparender Diuretika beträgt durchschnittlich 0,83 Euro, bei jährlich etwa 200 Millionen verschriebenen Tagesdosen.
Wichtiger Hinweis
Dieser Artikel gibt den aktuellen Stand des Wissens wieder. Er enthält jedoch nur allgemeine Hinweise, die nicht für eine Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung geeignet sind. Einen Arztbesuch kann er auf keinen Fall ersetzen.
Quellen und weiterführende Literatur
- 1 Wright et al., First-line drugs for hypertension, Cochrane Database of Systematic Reviews 2018 (Link)
- 2 Stiftung Warentest, Blutdrucksenker im Test: Mit diesen Wirkstoffen lässt der Druck nach, Stand Februar 2024 (Link)
alle Referenzen anzeigen
- 3 Lauber et al., Diuretika – Medikamente zur Entwässerung, apotheken.de, Stand Februar 2020 (Link)
- 4 K. Gräfe, Diuretika besser als ACE-Hemmer, Pharmazeutische Zeitung, Oktober 2019 (Link)
- 5 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Mit welchen Medikamenten wird Bluthochdruck behandelt?, gesundheitsinformation.de, Stand Mai 2019 (Link)
- 6 SCHOLZ Datenbank, Arzneimittelinformationen auf einen Klick, beipackzettel.de (Link)
- 7 Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), PharMaAnalyst, abgerufen Februar 2024 (Link)